https://www.tagesschau.de/ausland/europa/frankreich-sex-ohne-zustimmung-100.html
Deutschland hat sein “Nein heißt Nein”-Prinzip seit mehr als sieben Jahren im Gesetzbuch stehen. Alle sexuellen Handlungen sind demnach als Vergewaltigung strafbar, die gegen “den erkennbaren Willen einer anderen Person” vollzogen werden. Bei Verstoß drohen sechs Monate bis fünf Jahre Haft.
Auf EU-Ebene hatte Deutschland im vergangenen Jahr eine Richtlinie blockiert, die die “Nur Ja heißt Ja”-Regel zum europaweiten Standard machen sollte.
Weiß jemand, wie sich in anderen Ländern, die diese Art der Rechtsprechung schon haben, die Prozesse verändert haben?
Im Fall von Frau Pelicot sehe ich ein, dass es dort einen Unterschied macht, da es ja Videomaterial gibt, was ein fehlendes “ja” dokumentiert. Dieser Fall war aber auch schon nach der alten Rechtsprechung relativ eindeutig.
In den allermeisten Fällen wird es aber solches Beweismaterial nicht geben und da frage ich mich immer, ob “ja heißt ja”, “nein heißt nein” oder gar nichts wirklich vor Gericht konkrete Unterschiede machen. Ist das nicht im Zweifel immer Aussage gegen Aussage?
Eine Vergewaltigung ist nicht unbedingt Aussage gegen Aussage. Es gibt mittlerweile auch test Kits mit denen unmittelbar nach einer Vergewaltigung (DNA) Spuren gesichert werden können. Dafür muss man sich natürlich Stellen, die so etwas anbieten anvertrauen. Zudem geht eine Vergewaltigung oftmals mit einer gewissen Form von psychologischer Schädigung einher, welche ein entsprechender Psychologe analysieren und bestätigen können sollte.
Danke für die Antwort. Ein solches Testkit kann aber doch nur nachweisen, dass Geschlechtsverkehr stattgefunden hat und lässt keine Aussage über JAs oder NEINs zu, oder?
Wenn nicht der Verkehr an sich abgestritten wird, aber Person 1 behauptet, es sei explizit einvernehmlich (“ja”) gewesen während Person 2 das bestreitet (“kein ja”), hilft das doch nicht in der Beweisführung, oder?
Wenn beim vermeintlichen Opfer zusätzlich Verletzungen festgestellt werden, wäre das natürlich ein starkes Indiz, aber eben noch stärker als ein “nein” und somit vermutlich ähnlich zu bewerten wie nach der alten Rechtsprechung.
Die brutale Vergewaltigung im Stadtpark ist denk ich in allen Varianten recht eindeutig. “Nein heißt nein” oder “nur ja heißt ja” sind ja eher Nuancen, die bei weniger eindeutigen Fällen zum Tragen kommen.
Ein psychologisches Gutachten leuchtet mir da mehr ein, bin mir aber auch nicht sicher, ob man da hinreichend zuverlässig die feinen Unterschiede beim Konsens herausarbeiten kann.
Ich meine, den Fall, dass es unbeobachtet zum Sex kommt und hinterher das Einverständnis strittig ist wird man egal mit welcher Strafrechtsänderung niemals abschließend gerecht klären können. Da wird es immer heißen, im Zweifel für den Angeklagten, und gesellschaftlich (nicht für das vermeindliche oder tatsächlich Opfer) ist das auch wichtig.
Aber viele Fälle gestalten sich ja anders. Da gibt es Zeugen, Vorgeschichte, Nachrichten auf Handies etc. pp… Ich glaube bei solchen Fällen kann eine Änderung dann tatsächlich die Strafbarkeit oder das Strafmaß ändern.
Als Beispiel gab es ja dieses Interview mit der Richterin im Spiegel, wo der Öffentlichkeit die Strafen hinterher zu gering waren. Da wurden über 100 Zeugen befragt. Am Ende sagte die Richterin, nur wegen der kürzlich erfolgten “Nein heißt Nein”-Reform konnten überhaupt Urteile verhängi werden, das wäre zuvor überhaupt nicht strafbar gewesen.
Ähnlich mit den Freisprüchen in diesem Wiener Fall.
Keine Ahnung, ob es in diesen Fällen einen Unterschied gemacht hätte, mein Punkt ist, dass die Beweisaufnahme in solchen Prozessen sehr komplex ist und Nuancen in der Strafbarkeit in manchen Fällen einen großen Unterschied machen können.
Da hast du natürlich Recht mit. Ich selber kenne mich auch nicht gut genug mit der Thematik von so Gutachten aus, als dass ich auch nur irgendwas dazu sagen könnte, wie gut die so sind.
das schließt also auch Fälle ein, in denen Frauen durch Drogen oder Alkohol gezielt wehrlos gemacht werden
Nach meinem Verständnis ist das in Deutschland auch geregelt in § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB:
(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn
- der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
Nichtsdestotrotz sollte es grundsätzlich so sein, dass Konsens vor der eigentlichen Handlung bestehen muss und es ist ein Unding, wie das aktuell geregelt ist.
Keine Ahnung ob knutschen schon ausreichend als sexuelle Handlung gilt, aber meine erste Freundin hat mich auch irgendwann auf der Party wo wir uns kennengelernt haben einfach geküsst und da gab es vorher kein Gespräch über Einverständnis. Trotzdem fand und finde ich, dass das schon richtig so war. Ich wäre wohl andernfalls ewig Single geblieben.
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Öhm… Ist Sex ohne Einwilligung nicht ganz offensichtlich Vergewaltigung? Verpass ich hier was?
Geht halt darum, dass diese explizit sein muss, also nicht einfach impliziert oder angenommen werden darf, sondern man wirklich ein die Zustimmung aussprechen muss.
Um das beweisen zu können im Ernstfall müsstest du das aber aufzeichnen oder ein beglaubigtes Dokument holen, oder?
Sehe ich prinzipiell ähnlich. Und selbst eine App, ein Formular o.ä. kann ja im Zweifel von jemand anders oder nur unter Druck ausgefüllt worden sein. Oder man überlegt es sich nach Ausfüllen nochmal anders, will abbrechen o.ä.
Es ist sogar noch viel, viel schlimmer und komplizierter: Gerade häufen sich ja die Fälle, wo dann rauskommt, dass diverse OnlyFans-Models das gar nicht so wirklich freiwillig gemacht haben, sondern dass sie in einer Missbrauchsbeziehung waren und der Täter sie gezwungen hat. Rein offiziell haben sie dann die entsprechenden Consent-Formulare ausgefüllt, ihre Unterschrift drunter gesetzt, fleißig in die Kamera gelächelt und trotzdem war das nicht freiwillig. Das hast du auch etwa bei Zwangsprostitution - natürlich unterschriebst du das Dokument, dass du das alles freiwillig und aus eigenen Stücken machst, wenn da 8 Hells Angels vor dir stehen und du alleine bist.
Das kriegst du fürchte ich nie aufgedröselt: Das gruselige an solchen Zwangssituationen ist ja, dass man in einer Zwangssituation ist und die Täter diese Zwangssituation ausnutzen. Der Fall Pelicot ist wirklich speziell, aber in den meisten Missbrauchssituationen wirst du da leider mit so einem Gesetz nicht weit kommen können, da die Täter natürlich sehr clever agieren.
Die Beweisbarkeit ist aber nicht das Maß der Dinge wenn es um Recht und Unrecht geht. Prinzipiell sind alle Dinge, die zwischen zwei Menschen im Schlafzimmer passieren schwer zu beweisen.
Gerade das Alkohol Thema finde ich aber schon schwierig, wo ist die Grenze? Ist leicht angetrunken noch okay? Mittelmäßig angetrunken? Mal rein praktisch in der Disco jemanden kennengelernt und dabei auch was getrunken, woher soll ich wissen wie viel die/der andere vorher getrunken hat? Muss ich vorm Sex einen Alkoholtest machen und einen Promillewert bestimmen? Klar gibt es Fälle die eindeutig sind und wo jemand einfach komplett sturzbetrunken zu nichts mehr in der Lage ist, die meine ich nicht. Es gibt aber auch einen extrem großen Graubereich und eine extreme Unsicherheit.




